Zeit für den Wechsel

Unternehmensnachfolge: Der Blick des Bankers

Vorstandsmitglied Michael Simon

„Es tut sich aktuell viel am Markt, wir haben in den vergangenen Jahren schon viele positive Überraschungen erlebt. Das macht Mut“, berichtet Michael Simon zur aktuellen Lage bei Übergaben, Übernahmen und Gründungen im Main-Kinzig-Kreis.

Simon, der Mitglied im Vorstand der VR Bank Bad Orb-Gelnhausen eG und in der Vollversammlung der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern ist, hebt im Gespräch hervor, dass sein Geldhaus, aber auch alle anderen Volksund Raiffeisenbanken und Sparkassen, momentan vergleichsweise viele Wechsel an den Spitzen kleiner und mittelständischer Unternehmen begleiten.

Woran liegt das? Da ist zum einen die Babyboomer-Generation, die einerseits viele erfolgreiche Unternehmer hervorgebracht hat. Diese Menschen bewegen sich langsam in Richtung Ruhestand und wollen ihre Firmen in neue Hände übergeben. Andererseits haben die vor Ort aktiven Geldhäuser gelernt, dass die Unternehmen heute eine intensivere Begleitung als früher benötigen – und dies gilt auch bei allen Fragen rund um die Nachfolge. „Ob Nachfolge oder Gründung: Beides ist heute ein Kernthema“, betont Simon auch mit Blick auf die Großbanken, die sich aus dieser „wichtigen Aufgabe weitgehend verabschiedet haben.“

Der Businessplan: Tatsachen beschreiben, Perspektiven aufzeigen

„Ein aussagekräftiger Businessplan ist heute für jede Finanzierung unverzichtbar. Das gilt nicht zuletzt auch für Übergaben, Übernahmen oder auch Neugründungen“, unterstreicht Simon.

Im Internet seien hierzu viele gute Tipps und Checklisten zu finden – die diversen Online-Hilfen der Banken und Sparkassen, der Kammern und der Fördereinrichtungen seien im Großen und Ganzen gut geeignet. „Ein Businessplan dient“, so Simon, „stets als Leitplanke für die Erfolgsmessung und Abweichungsanalyse.“ Ein solcher Businessplan, der die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens für Dritte nachvollziehbar beschreibt sowie seine weitere Zukunft skizziert, ist laut Simon auch bei Übernahmen innerhalb der eigenen Familie unerlässlich. In diesen Fällen achte jede Bank oder Sparkasse nicht nur darauf, ob der oder die Nachfolger und Erben sowohl fachlich als auch kaufmännisch geeignet seien. Der Banker-Blick richte sich auch darauf, ob Abfindungen an Geschwister anstünden und dadurch vielleicht notwendiges Eigenkapital verloren gehe. Die Kapitalflussseite werde in derartigen Fällen sehr sorgfältig geprüft.

Nach welchen Kriterien prüft ein Geldhaus einen Businessplan, jenseits aller Rentabilitätsplanungen? Simon nennt hierzu als die wichtigsten Kriterien: die Branche, die vorhandenen oder möglichen Absatzwege, die Kundenzahl und die Besitzverhältnisse. Auf Nachfrage hebt er im Gespräch hervor, dass es in einigen Branchen momentan für die Geldhäuser riskanter ist, eine Übernahme oder Gründung zu begleiten. In diesen Fällen komme es darauf an, wie das Unternehmen positioniert ist, was es kann und wie es sich entwickeln will. Der Banker ergänzt: „Mit einem überzeugenden Businessplan ist sogar in zurzeit kritischen Branchen eine Unternehmensfinanzierung machbar.“ Unabhängig davon, ob eine Übergabe innerhalb der Familie, also intern, oder an einen Fremden, extern, erfolgt, prüfen die Spezialisten in den Geldhäusern, ob der Übergeber in einer Übergangszeit seinem Unternehmen erhalten bleibt und ob er sich mit seinem Kapital weiterhin beteiligt. Auch  hierzu sollte in einem Businessplan Nachvollziehbares enthalten sein. Das gilt auch für die wichtige Frage, ob der oder die Nachfolger / -in eine lebenslange Rente an den Übergeber überweist – ein eher unwahrscheinlicher Fall beim Verkauf eines Unternehmens an Dritte. Generell sollte jeder Businessplan die Struktur der Finanzierung nachvollziehbar offenlegen.

Was kommt danach?

Kein Businessplan kann aufzeigen, was im Kopf seines Schreibers steht. Auch weiche Faktoren, die sogenannten „soft skills“, entscheiden mit über den Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmerkarriere. Auch mit dieser Barriere können die Banken und Sparkassen umgehen. Sie prüfen nicht nur alle Verträge und Unterlagen, sondern beleuchten auch die fachliche Kompetenz ihrer künftigen Firmenkunden – bei kleinen und mittleren Industrie-Unternehmen zum Beispiel wird Wert auf das vorhandene Technik-Know-how gelegt, bei Dienstleistern und Händlern wird die vertriebliche Erfahrung verstärkt in die Waagschale geworfen und bei größeren Unternehmen auch die Frage, wie das kaufmännische Können abgebildet wird.

Der Faktor Mensch, der sich zum Beispiel im individuellen Führungsstil niederschlägt, lässt sich nicht in einem Businessplan abbilden. Um die Evolutionsfähigkeit der Unternehmen besser bewerten zu können, wird auf die „soft skills“ in den Jahresgesprächen besonders viel Wert gelegt – auch aus diesem Grund wird die eingangs genannte intensivere Begleitung durch die Hausbank immer wichtiger. Die Banken und Sparkassen sind nicht mehr nur für die Finanzierungsfragen da, sie sind auch als beobachtender Unternehmercoach zunehmend gefordert.

Denkfehler und Fallstricke vermeiden

Ab einem bestimmten Alter sollten Unternehmerinnen und Unternehmer darauf gefasst sein, dass sie beim Jahresgespräch mit ihrer Hausbank auf ihr Alter und auf die  Nachfolge-problematik angesprochen werden. Die Regeln der internationalen Bankenaufsicht verlangen dies. Ab diesem Zeitpunkt sollten die Vorbereitungen für eine Übergabe im Idealfall beginnen. Weil es „enorm viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt“, so Simon, „sind je nach Größe der Unternehmen Juristen und Steuerberater mit einzubeziehen.“ Der zeitliche Vorlauf sollte nicht unterschätzt werden.

Kritisch kann auch die Bewertung eines Unternehmens werden: Der Blick des Übergebers auf sein Werk und seine Lebensleistung kann in einigen Fällen verzerrt sein – ein typischer Denkfehler, wie er immer wieder passiert. In diesen Fällen ist es hilfreich, frühzeitig einen neutralen Gutachter zu beauftragen, um die Preisfindung für den Übergeber und den Übernehmer erträglich zu gestalten. Liegt ein solcher Wert vor und steht der Businessplan, können Übernahmen recht reibungslos verlaufen.

Hilfreich ist zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens ein funktionierendes Netzwerk. Viele  Übergaben an Dritte, aber auch an Verwandte, erfolgen nochimmer über die Mund-zu-Mund-Propaganda – trotz Internetplattformen wie nexxt-change.org und weitreichender Online-Transparenz. Banker Simon schätzt diese Plattformen, weil sie Übernehmern helfen, ihre Vorstellungen zu schärfen. Übergebern, die ihre Preisvorstellungen überprüfen wollen, ermöglicht das Portal einen vergleichsweise ungeschminkten Blick auf die Realität.

„Aber noch funktioniert der Markt im Main-Kinzig-Kreis nicht online. Die älteren Übergeber setzen zu Recht auf die Expertise ihrer Hausbank. Und das dürfte noch eine Weile so bleiben, weil das Verfahren der Übergabe so sensibel und komplex ist“, schließt Simon.

Quelle: IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, Dr. Achim Knips / Ausgabe Oktober 2019